Banville, John by Unendlichkeiten

Banville, John by Unendlichkeiten

Autor:Unendlichkeiten
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-09-05T09:02:44+00:00


JA, WAS FÜR welche eigentlich? Wär ich dazu imstande, aufrichten wollt ich mich in meinen Leichentüchern mit meinen rausgerissenen verfaulten Röhren, und wollte Pest und Pisse spucken, die Türe schlüg ich ihnen vor der Nase zu. Ach, traurige Prahlerei des Sterbenden. Nicht, dass ich Angst hätte vor Benny Grace; ich fürchte mich nur vor der Ruhestörung. Ich liege blind und fürchte mich vor einem jäh gefüllten Segel. Das mit Benny und mir ist eine lange, verzwickte Geschichte. Blicke ich in den stetig trüber werdenden Kristall meiner Erinnerung, dann seh ich eine große Menschenmenge, die sich drängelnd vorwärtsschiebt und aus der mich Bennys fette Fratze angrient, anzüglich, sardonisch, mit schmierigem Eifer. Ist gekommen, um mir in meinen letzten Zügen noch eine Standpauke zu halten, mir zu sagen, dass ich das Sterben ganz falsch angepackt habe? Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wie lange ich ihn kenne – und er mich, aber ich muss mich wohl erinnern, vermute ich, jetzt, wo er aufgetaucht ist, einfach so. Im Grunde hab ich das Gefühl, dass er mein ganzes Leben lang bei mir gewesen ist, was allerdings kaum sein kann, weil er ja nicht so alt wie ich ist, und das wird so bleiben. Ja, Benny zählt mit Sicherheit zu den Unsterblichen.

Plötzlich erinnere ich mich an einen Albtraum, den ich als Kind hatte – als kleines Kind, würde ich sagen, vielleicht sogar als Baby, ich glaube fast, ich lag noch in der Wiege – und den ich nie vergessen habe. Wie Furcht einflößend er doch war und wie bedeutungsschwer, dass ich ihn all die Jahre lang so deutlich in Erinnerung behalten habe. Obwohl ich nicht ganz sicher bin, ob Albtraum tatsächlich das rechte Wort ist, weil er ja nur ganz kurz war und vollkommen ereignislos. Ich bin mir nicht mal sicher, ob es überhaupt ein Traum war oder nicht eher eine Ahnung, im Halbschlaf wahrgenommen, von etwas, das zu deuten ich damals noch zu jung war und jetzt zu alt und zu geschwächt bin. Sei’s drum, in diesem Albtraum, Traum, von mir aus Tagtraum, oder was auch immer, war ich auf einer kahlen Klippe ausgesetzt, mitten in einem leeren Meer. Ja, ausgesetzt, denn ich war nicht mit einem Boot dort hingebracht worden, und auch mit keinem anderen Land- oder Wassergefährt, sondern irgendwie aus der Luft hinabgestiegen, womöglich ein gefallener Ikarus, in meinem Kopf drehte sich alles, und meine Flügel, deren Feuer man ertränkt hatte, waren triefnass und nutzlos. Das Meer rings um mich her war dunkelviolett gefärbt, unendlich still, ganz ohne Brandung, spiegelglatt – sogar dort, wo sein Saum das Riff umfloss, auf dem ich hockte, vollkommen unbewegt – und schien dabei doch in sich voll zu sein zum Überfließen, als ob sich’s gleich wie wild zur Seite neigt und umkippt, wie eine große, blanke Scheibe, die einer mit Gewalt am Rand herunterdrückt. In welche Richtung ich auch schaute, nirgends war irgendwas zu sehen, und auch kein Horizont, die Einöde der Weiten ringsumher ging saumlos über in den Himmel, der genauso öde war. Kein Laut, kein Vogelschrei, kein Wind, der ächzte.



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